Ausflug in die Höhe, intensive Sprachbildung und groovy Latino-Rhythmen – das war das Sprachcamp in Fiesch
Sunday, September 3, 2023
Rot. Susanne Bokorny, Geschäftsführerin Rotary Jugendaustausch Schweiz - Liechtenstein
Spätestens beim Verlassen des Furka-Bahnverladezugs steigt die Aufregung und Vorfreude auf das Welcome- und Sprachcamp mit den «Newbies» – den 45 neuen Inbounds aus 14 Ländern.
Es hat ein bisschen etwas von «Heimkommen», wenn wir für gut eine Woche unser Büro ins Sport-Resort nach Fiesch verlagern, denn wir kommen nun schon einige Jahre für verschiedene Anlässe des Programms ins Wallis. Auf drei Autos verteilt worden sind Flaggen samt Stangen, Büromittel, Drucker, Freizeitspiele und Verpflegung für wenigstens die nächsten drei Tage.
Einen Tag Zeit bleibt zum Einrichten unserer Büro-Aussenstelle, Anschreiben von Schlafräumen, Briefing der Mitwirkenden und Festlegen des definitiven Programmes für die nächsten Tage. Und dann ist es so weit: schon lautstark kündigt sich eine bunt gemischte Truppe kofferziehender Jugendlicher an, die von einem rotarischen Empfangskomitee am resorteigenen Bahnhof abgeholt wird. Niemand ist dieses Mal bis Fiesch Dorf durchgefahren – ein guter Start. Und nur fünf Inbounds fehlen – die haben in Bern den Zug verpasst und kommen eine Stunde später. Passt also!
Nach Begrüssung und Zimmerbezug folgt schon gleich der Ernst des Camplebens: Es gibt einen Einstufungstest für den Sprachunterricht. Die kurze Zeit zwischen Abendessen und dem ersten Workshop wird bereits rege zum Austausch von Pins genutzt. Die meisten haben wohl schon den Wochenplan studiert und dabei festgestellt, dass eher wenig Zeit zum «Hängen» bleibt.
Thumbs up! Zwei Inbounds des Sprachcamp in Fiesch.
Tatsächlich absolvieren die Austauschschülerinnen und -schüler in diesen acht Tagen insgesamt 40 Sprachkurslektionen, deren Wirkung mit einem Abschlusstest festgestellt wird. Ausserdem haben wir fünf Workshops zu diversen Themen an den Abenden untergebracht, damit die Inbounds für den Alltag in Schule und Gastfamilie einigermassen vorbereitet sind. Dies auf Englisch, damit die wichtigen Infos auch ja hängen bleiben. Schwierig nur, wenn einzelne weder Deutsch noch Englisch verstehen. Zum Glück ist Ursula Gloor aus dem Vorstand dabei, die alle Workshops für die Kandidaten aus spanisch sprechenden Ländern in deren Landessprache halten kann.
Neben dem Chair Karl-Heinz Restle sind vom Vorstand noch Markus Hertig und Martine Texier mit an Board. Wobei letztere sich der Sprachbildung für die Inbounds im französischsprechenden Teil der Schweiz widmet. Für den Deutschunterricht wurden drei weitere Sprachlehrerinnen engagiert. Mike Salz und Monika Egli verstärken die Gruppe als Referenten für die abendlichen Workshops. Es haben sich auch einige Besucher angekündigt, um die Gelegenheit zu nutzen, etwas würzig-exotische Austauschluft zu schnuppern. Wir dürfen Martin Feller, YEO vom RC Brig, Verena von Castelmur, YEO vom RC Angenstein und Andreas Weissen, den ehemaligen Chair des Vereins begrüssen. Als Special Guest verbringt Thomas Hunziker, amtierender Governor vom Distrikt 2000, zwei Tage mit uns.
Ausflug zum Eggishorn: Für einige Inbounds war es das erste Mal in solch einer Höhe.
Auch in Fiesch ist es heiss! Wir suchen den schönsten Tag der Woche heraus und unternehmen den Ausflug zum Eggishorn – das Highlight des Camps – am Mittwochmorgen. Einige Inbounds begeben sich zum ersten Mal in die Berge und in die Höhe und sind dementsprechend aufgeregt und sogar beängstigt. Entgegen unserer Erwartung ist es aber am Gipfel angenehm warm – Kurzarm-Temperaturen. Was für eine quirlige Belebung des Gipfels da entsteht, wenn mit Flaggen ausgerüstete Jugendliche in verschiedenen Länderkompositionen an den Aussichtspunkten für Fotos posieren. Das Erlebnis ist für alle sehr eindrücklich und bietet eine willkommene Abwechslung zum strengen Lageralltag. So ganz ohne lehrreiche Informationen kommen sie allerdings nicht davon, denn Karl-Heinz kann aus seinem grossen Wissen vom «Ice-to-Lake-Camp» schöpfen und gibt den Jugendlichen wissenswerte Einblicke in die Gletscherwelt. Wie wunderbar die Aussicht und die Bedingungen auf dem Berg waren, merken wir erst so richtig, als wir mit der Gondel nach dem Mittagspicknick wieder ins schwüle, drückende Tal hinunterfahren.
Der Abschlusstest soll zwar nur die Einteilung für den weiteren Sprachkurs bei Flying Teachers vereinfachen, doch führt er zu aufgeregtem Büffeln bis in die späten Abendstunden und für manche zu einer schlaflosen Nacht. Nachdem auch diese Hürde mehr oder weniger erfolgreich bezwungen worden ist, können sich alle gelöst der Abschlussfeier am Samstagabend auf dem Grillplatz des Geländes zuwenden. Die beiden australischen Januar-Inbound-Girls hatten diesen einladend geschmückt.
Es gibt Popcorn und groovige Latino-Rhythmen zu denen sich schliesslich alle Nationen ausgelassen bewegen – auch die Schweizer. Es bleibt gar keine andere Wahl. Der schwungvolle Abend setzt den Schlusstakt zu einem rundherum gelungenen Sprachcamp.
Diese Gruppe hat bei uns einen besonders positiven Eindruck hinterlassen. Auch ohne unsere Belehrungen zeigten sich durchweg alle Inbounds höflich, sozial, tolerant, dankbar und lernwillig. Wir finden: das sind schon sehr gute Voraussetzungen für ein erfolgreiches Austauschjahr.
Für einen soften Einstieg in den anspruchsvollen Schweizer Alltag haben wir versucht, ihnen noch wichtiges Rüstzeug mitzugeben:
- Lektion 1 in der Schweiz: Pünktlichkeit
- keine Sonnenbrillen indoor – auch nicht bei Latinos
- Shorts nicht zu short und die Oberteile nicht zu knapp – auch wenn es noch so heiss ist
- Verständnis aufbringen für die Gastfamilie, die vielleicht auch manchmal ratlos ist
- Den Kontakt aktiv suchen, auch wenn das sehr anstrengend sein kann
Und dann mussten wir sie alle ziehen lassen mit der Matterhorn-Gotthardbahn
– mit rasselnden Koffern und wehenden Fahnen und mit der bangen Ahnung, was sie am nächsten Tag wohl im harten, schonungslosen Schulsystem erwartet. Stolz tragen sie ihre Rotary-Blazer, die bereits jetzt mit erstaunlich vielen Pins bestückt sind.
Nach dem Sprachcamp geht's auf ins Austauschjahr!
Wir bleiben mit der Hoffnung zurück, dass man den Jugendlichen genügend Verständnis entgegenbringt – gerade in den ersten Wochen. Es sind solch wunderbare Charaktere, die sich in ein unglaublich herausforderndes Abenteuer gestürzt haben. Man hätte sich wahrlich ein einfacheres Gastland als die Schweiz aussuchen können. Mit der wohlwollenden Unterstützung von Clubverantwortlichen und Gasteltern werden sie aber alle ein wunderbares Austauschjahr verbringen können. Alle Beteiligten können dabei selbst ganz wertvolle Erfahrungen und Begegnungen machen.
Die Rückfahrt über den Grimsel mit vollbepackten Autos lässt uns genügend Zeit, das Camp noch einmal Revue passieren zu lassen und bereits Überlegungen für das nächste Jahr anzustellen. Die Reservierung im Sport Resort Fiesch ist für August 2024 jedenfalls schon mal gemacht.