RC Redliwil - Die Charter-Urkunde

martes, 11 de julio de 2023

Rot. Alexander Hoffmann

Eines Tages ging Präsident Georges Bräker daran, Familienpapiere zu sortieren. Dabei stiess er auf einen Brief seines Vaters von 1963. «Eine schöne Charterfeier hatten wir in der Heidistube», schrieb der Vater.

Bräker erstarrte. Vor 60 Jahren also wurde der RC Redliwil gegründet, das hatte er ganz vergessen. Aber wann genau? Das stand nicht in dem Brief. Bräker berief eine Krisensitzung des Vorstands ein und fragte: «Warum hat der Clubarchivar nicht an das 60jährige Jubiläum erinnert?»

«Weil wir seit zehn Jahren keinen Archivar mehr haben», sagte Rotarier Paul Egli. «Wir haben quasi unser Gedächtnis verloren.»

Bräker fiel es wieder ein. Rotarier Anton Gafner hatte das Archiv akribisch geführt, aber niemand hatte sich für ihn interessiert. Beleidigt hatte er dann den Club verlassen.

«Dann muss ich wohl nach Canossa gehen», seufzte Bräker und begab sich zu Gafner. Dort bat er um Entschuldigung und machte er drei Kratzfüsse. Gafner war besänftigt und führte ihn in seinen Heizungskeller. «Die Gründungsmitglieder können wir nicht mehr fragen, aber vielleicht finden wir hier etwas», meinte er und durchstöberte einen staubigen Karton.

Schliesslich förderte er ein zerknittertes Dokument zutage. «Na also, da haben wir die Charter-Urkunde von 1963», sagte er zufrieden. Zufrieden war auch Bräker – bis er den riesigen roten Fleck auf der Urkunde sah. Er verdeckte passgenau das Datum der Gründung.

«Das stammt von Rotwein, war wohl eine ziemliche Sause damals», konstatierte Gafner.

Was tun? In seiner Not wandte sich der Präsident an den Chef der Redliwiler Polizei, Franz Mühlemann, der passenderweise ebenfalls Rotarier war. Mühlemann meinte lässig: «Ich gebe die Urkunde mal in unsere Labors zur kriminaltechnischen Untersuchung.»

Zwei Tage später rief er zurück. «Wir hatten Erfolg.»

«So?»

«Bei dem Rotwein handelt es sich um einen Château Lafite Rothschild von 1959. Die Rotarier damals wussten, was gut ist.»

«Ja, und das Datum?», fragte Bräker verzweifelt.

«Hat die Säure des Weins weggefressen, sorry.»

Bräker war der Panik nahe, die von ihm so schön erträumte Jubiläumsfeier rückte in weite Ferne. Erlöst wurde er von Rotarier Fritz Albrecht, Inhaber eines Grafikstudios, der eine «kreative Lösung» vorschlug. Bald präsentierte Albrecht eine prächtige, fleckenfreie Neuversion der Charter-Urkunde. Nach einem Bad in der Mikrowelle hatte sie auch die richtige Patina. Bräker war begeistert, fragte aber: «Und der exakte Tag der Clubgründung?»

«Kenne ich nicht, ich habe einfach meinen Geburtstag eingesetzt, den 29. Februar.»

Bräker machte sich an die Formulierung seiner Festrede. Die Einladungen zum Jubiläum gingen raus, schön verpackt in eine Kopie der Charter-Urkunde.

Zwei Tage vor dem Fest rief Rotarier Egli den Präsidenten an. «Ich will ja nicht meckern, aber einen 29. Februar gibt es nur in Schaltjahren. 1963 war definitiv kein solches.»

Doch in Bräker glühte nach all den Misslichkeiten die Vorfreude auf das Fest. Er beschied Egli: «Es bleibt beim 29. Februar 1963. Wir vom RC Redliwil haben unsere eigene Zeitrechnung, das macht uns ja so einzigartig.»

Symbolbild von pexels.com