Förderung der Grundkompetenzen in der Schweiz – Interview mit Cäcilia Märki

Samstag, 3. September 2022

Janine Keller

Das Monatsthema von Rotary im September ist «Grundausbildung und Alphabetisierung», einer der sieben Schwerpunkte von Rotary ist die Bildung. Wir haben uns zu diesem Thema mit Cäcilia Märki, einer Expertin im Bereich Grundkompetenzen in der Schweiz, unterhalten.

Cäcilia Märki ist seit acht Jahren Leiterin Bereich Grundkompetenzen beim Schweizerischen Verband für Weiterbildung (SVEB). Sie ist verantwortlich für die Entwicklung und Umsetzung nationaler und internationaler Projekte im Bereich der Förderung der Grundkompetenzen mit einem Schwerpunkt auf der arbeitsplatzorientierten Weiterbildung Geringqualifizierter und dem Berufsabschluss für Erwachsene.

Frau Märki, Sie sind Beraterin beim Projekt «Einfach besser! … am Arbeitsplatz». Worum geht es genau?

«Einfach besser! ... am Arbeitsplatz» steht für einen nationales Förderprogramm, das das Ziel verfolgt, in den Betrieben vor Ort die Grundkompetenzen der Mitarbeiten zu fördern in den Bereichen Sprache, Lesen, Schreiben, Mathematik und Anwendung von digitalen Technologien.

Impressionen aus dem Deutschkurs «Einfach besser! ... am Arbeitsplatz» für Mitarbeitende aus der Giesserei von R. Nussbaum AG.

Cäcilia Märki, Leiterin Bereich Grundkompetenzen beim Schweizerischen Verband für Weiterbildung (SVEB)

Die Methode, die dem Förderschwerpunkt zugrunde liegt, basiert auf einem Modell, welches der SVEB zusammen mit Experten und Expertinnen im Bereich der Weiterbildung entwickelt und getestet hat, dem sogenannten GO-Modell. Das GO-Modell ist ein Good-Practice-Modell für die Förderung der Grundkompetenzen am Arbeitsplatz.

Das Ziel ist, Mitarbeitende eines Betriebs, die Mühe mit einer oder mehreren Grundkompetenzen haben, mit massgeschneiderten Kursen weiterzubilden. Das Lernangebot wird vom Weiterbildungsanbieter spezifisch auf den jeweiligen Arbeitsplatz angepasst. Dabei wird zum Beispiel das Arbeitsumfeld analysiert, um herauszufinden, welche Grundkompetenzen entscheidend sind. Es werden also die Anforderungen an den Arbeitsplätzen sowie der Lernbedarf der Mitarbeitenden erhoben. Daraus entsteht dann der Kurs und je besser das Angebot auf das Unternehmen angepasst ist, desto effizienter ist die Weiterbildung.

Zentral ist also, dass für beide Zielgruppen, also die Arbeitgeber sowie die Arbeitnehmenden, ein konkreter Nutzen im Arbeitsalltag entsteht.

Wodurch kann ein Förderbedarf in den Grundkompetenzen entstehen?

Aktuell ist die Digitalisierung der grösste Treiber von neuen Anforderungen am Arbeitsplatz, gemeinsam mit der Sprache. In vielen Branchen steigen die Anforderungen an die Mitarbeitenden. Als Beispiel: Im Gesundheitswesen wird vielerorts die elektronische Patientenakte gesetzt, welche von Pflegekräften ganz andere Fähigkeiten abverlangt als das bisher der Fall war. Die Anforderungen an Arbeitnehmende von vor 15 Jahren sind überhaupt nicht mehr vergleichbar mit denjenigen der heutigen Zeit.

Es kann aber auch sein, dass ein Arbeitgeber feststellt, dass die Arbeitsqualität nicht auf einem angemessenen Niveau ist, oder es Probleme innerhalb der Kommunikationsprozesse gibt. Auch in diesen Bereichen hat sich durch die Digitalisierung und Automatisierung in den letzten Jahren vieles verändert. Es wird ganz anders kommuniziert, die Anforderungen an Schreiben und Lesen haben sich gewandelt. Beispielsweise kommuniziert die Personalabteilung mit allen Angestellten oftmals ausschliessliche über E-Mail oder interne Informationen müssen von der digitalen Ablage gezogen werden.

Bedeutet dies, dass die Teilnehmenden der Weiterbildungskurse in den Grundkompetenzen tendenziell ältere Personen sind?

Nicht unbedingt. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden liegt zwar schätzungsweise schon zwischen 45 und 50 Jahren, aber es kommt ganz auf die Branche und das Unternehmen an. Es gibt auch jüngere Teilnehmende.

Der Bedarf der Unternehmen ist hier zentral. Am Beispiel eines internationalen Grossunternehmens wird das deutlich. Es wurde ein Kurs entwickelt, der die Mitarbeitenden dabei unterstützt mit der Digitalisierung der Prozesse mithalten zu können, sowohl in der internen Kommunikation als auch in den Kundenbeziehungen. Details zu den Erfahrungen dieser Firma findet man hier.

Das Alter kann ein Faktor sein für den Bedarf an einer Weiterbildung im Bereich der Grundkompetenzen. Ein Defizit kann aber auch den einfachen Grund haben, dass eine bestimmte Kompetenz zwar einmal erlernt wurde, aber nach langer Zeit eingerostet ist, weil man sie nie gebraucht hat.

Die arbeitsplatzorientierte Weiterbildung wird vom Bund und Kantonen finanziell unterstützt. Weshalb?

Richtig. Es gibt drei Hauptgründe, weshalb der Bund und die Kantone das Projekt unterstützen. Erstens haben sie gemerkt, dass Personen mit Schwierigkeiten mit Grundkompetenzen am besten über die Betriebe zu erreichen sind. Der zweite Grund ist die Wirtschaft, die aufgrund des Fachkräftemangels unter Druck steht. Deshalb braucht es mehr Weiterbildungen auch für gering qualifizierte Arbeitskräfte. Und drittens ist es im öffentlichen Interesse, dass möglichst viele Arbeitskräfte ihre Jobs behalten.

Welche Vorteile entstehen durch einen Weiterbildungskurs in einer Grundkompetenz für die beiden Zielgruppen, Betrieb und Mitarbeitende?

Für ein Unternehmen ist es wirtschaftlich profitabel, wenn ihre Angestellten/Mitarbeitenden gut ausgebildet sind. Andererseits kann es sein, dass der Arbeitgeber durch diese Weiterbildungen neues Potenzial bei den Mitarbeitenden entdeckt. Ein weiteres Ziel der Weiterbildungen ist, dass einzelne Teilnehmende den Einstieg in den Berufsabschluss für Erwachsene schaffen können.

Für die Arbeitnehmenden ist ein Kurs im Bereich Grundkompetenzen ein Zeichen der Wertschätzung. Motivation und Selbstbewusstsein steigen, wenn Schwierigkeiten im Arbeitsalltag also potenzielle Frustrationsauslöser, reduziert werden können. Da wird Energie frei und Bereitschaft neue Aufgaben zu übernehmen, steigt.

Diese Vorteile entstehen dann, wenn Kurse so spezifisch wie möglich auf das Individuum sowie das Arbeitsumfeld angepasst werden.

Können Sie Unternehmen einen Tipp geben, wie sie Mitarbeitende auf ein Lernbedürfnis im Bereich der Grundkompetenzen ansprechen könnten?

Wichtig ist ein wertschätzender Umgang. Mit «Besser jetzt! … am Arbeitsplatz» möchte der Bund in erster Linie eine wirksame Lösung unterstützen.

Normalerweise wissen Unternehmen, wer Bedarf an einem Kurs im Bereich Grundkompetenzen haben könnte. Dann kann der Betrieb die Mitarbeitenden informieren, dass sie diesen Kurs anbieten. Da besteht auch kein grosser Unterschied zu anderem Fachpersonal und anderen Weiterbildungen – die meisten von uns könnten im einen oder anderen Bereich von einer Weiterbildung profitieren.

Wichtig ist ein wertschätzender Umgang. Mit «Einfach besser! … am Arbeitsplatz» möchte der Bund in erster Linie eine wirksame Lösung unterstützen.

Frau Märki, herzlichen Dank für das Interview!

Für weitere Informationen zum Projekt, besuchen Sie die Website von «Einfach besser! … am Arbeitsplatz» oder folgen Sie dessen LinkedIn-Seite