In eine fremde Kultur eintauchen, eine neue Sprache lernen und leben wie die Einheimischen: Das ist eine einzigartige Erfahrung, die die persönliche Entwicklung eines jungen Menschen auf unvergleichbare Art und Weise prägt. Der Rotary Jugendaustausch bietet genau diese Erfahrung jungen Menschen weltweit an. In den letzten Jahren haben Krisen, die Globalisierung sowie Digitalisierung unsere Welt verändert. Das bekommt auch der Rotary Jugendaustausch zu spüren.
Rückgang beim Langzeitaustausch, Zunahme beim Kurzaustausch
Der Rotary Jugendaustausch ist ein bekanntes und beliebtes Austauschprogramm für Jugendliche weltweit. Aktuell steht der Jugendaustausch vor neuen Herausforderungen: «Während sich zum Anmeldeschluss letzten Oktober noch 92 Schülerinnen und Schüler für das kommende Rotary-Jahr angemeldet hatten, sind davon inzwischen nur 56 geblieben. Wir stellen dieses Jahr eine Zunahme an Anfragen für den Kurzaustausch fest und einen Rückgang beim Langzeitaustausch – und das europaweit» erklärt Susanne Bokorny, Geschäftsführerin beim Rotary Jugendaustausch Schweiz. Einen Grund dafür sieht sie in der allgemeinen Unsicherheit ausgelöst durch die jüngsten globalen Risiken wie beispielsweise die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine oder die Stromkrise. «Nach der Pandemie hat vieles an Beständigkeit verloren, was zu einer allgemeinen Unsicherheit führt, so auch bei den Eltern der Austauschschüler», erklärt sie. Sie sind dadurch auch hinsichtlich längerfristiger Pläne vorsichtiger geworden. Ihr Eindruck wird von anderen Schweizer Austauschorganisationen sowie den anderen Rotary Austauschprogrammen in Europa bestätigt.
Stefan Bokorny, Präsident der Jugendkommission im Distrikt 1980, nennt als zweiten Faktor für den Rückgang der Anmeldungen für den Langzeitaustausch das Bedürfnis der Eltern, die vollständige Kontrolle zu behalten. Die Generation Y wolle die Kinder lieber bei sich zuhause behalten oder, wenn sie ins Ausland gehen, alle Rahmenbedingungen vorgeben. Weshalb das so ist? «Das Bedürfnis nach Globalisierung ist nach der Pandemie gesunken, weshalb ein Austausch nur noch unter bestimmten Bedingungen in Frage kommt», erklärt Stefan.
Aber nicht nur die Corona-Pandemie hat zu diesem Kontrollbedürfnis beigetragen; Die Eltern in den Erstweltländern wollen sicherstellen, dass ihre Kinder möglichst stark profitieren. «Wir stehen ausschliesslich mit den Schülern in Kontakt, sie sind unsere ’’Kunden’’. Wir erleben aber immer öfter, dass uns die Eltern zurückschreiben anstelle der Kinder. Einige rufen sogar in den Schulen im Gastland an, damit das Kind beispielsweise in die richtige Klasse kommt und die richtigen Schulfächer wählt» berichtet Susanne.
Das übersteigerte Kontrollbedürfnis der Eltern stellt den Jugendaustausch vor eine echte Herausforderung, denn seine Organisationsstruktur lässt sich schlecht damit vereinbaren. Die Eltern vergessen dabei oft, dass der Rotary die Jugendlichen und die Gastfamilien während des ganzen Austausches eng betreut, und dies mit Hingabe und Leidenschaft, denn die Rotarierinnen und Rotarier, die sich beim Jugendaustausch engagieren, tun dies freiwillig. Eine grosse Anzahl der Mitglieder, die sich beim Jugendaustausch engagiert, ist schon seit vielen Jahren dabei. «Bei internationalen Treffen in Nord-oder Südamerika und in Europa trifft man seit Jahren dieselben Personen» bestätigt Susanne.
Der Austausch wird bei Rotary stark gelebt und gefördert. Das Netzwerk investiert sehr viel Zeit und Geld. Diese Faktoren garantieren eine Betreuung gerade in kniffligen Situationen vor Ort, bei der der Schüler und die Gastfamilien im Zentrum stehen. Dieses Merkmal unterscheidet den Rotary Jugendaustausch von anderen Austauschorganisationen. Es ist aber nicht das Einzige.
Aus der Komfortzone raus und langfristig profitieren
Ein Austausch in einem anderen Land, führt oft zu Kontakten, die sich langfristig über die weitere Fortbildung hinaus als sehr nützlich erweisen können. Beim Rotary Jugendaustausch kommt der Zugang zu einem globalen Netzwerk hinzu, der weit über den Austausch hinauswirkt und in dieser Form einzigartig ist. Vom grossen Netzwerk, der Leidenschaft und der Kompetenz der Mitglieder können die Teilnehmenden unter anderem im späteren Berufsleben profitieren, beispielsweise als Mitglied bei Rotex, Rotaract oder Rotary.
Ganz allgemein aber soll ein Auslandsaufenthalt bewirken, dass die Jugendlichen die Komfortzone verlassen und selbstständiger werden. Jede Herausforderung für das eigene Kind ist eine grosse Chance, zu wachsen. «Für uns Eltern ist es nur ein Jahr – für das Kind ist es der Start in ein ganz neues Leben» erklärt Stefan.
Gewöhnen an die neue Normalität
Diesen internationalen Tendenzen muss sich der Rotary Jugendaustausch stellen. Dabei möchte er einerseits seine Einzigartigkeit beibehalten, andererseits wird er sich der Entwicklung anpassen müssen – in welcher Form, das steht noch nicht fest. Die Schweizer Sektion hat als Reaktion darauf kürzlich eine neue Marketing- und Social-Media-Kampagne «Woanders ist auch daheim» lanciert. Hier werden u.a. die Bedenken der Eltern und Anliegen der Jugendlichen geklärt. Die Rotary-Mitglieder erreichen die Distrikt Governors, die das Thema jeweils bei den Clubbesuchen ansprechen. So sollen 100 Jugendliche pro Jahr zwischen 15-18 in den wegweisenden Genuss eines Austauschjahres kommen.
«Es braucht auch einfach Zeit, sich an die neue Normalität zu gewöhnen» ist sich Susanne sicher.
Der Rotary Jugendaustausch Die Rotary Jugendaustauschprogramme haben zum Ziel, Jugendlichen das Kennenlernen anderer Lebensgewohnheiten, das Eintauchen in eine andere Kultur, das Erlernen einer Fremdsprache sowie ganz allgemein die Erweiterung des eigenen Horizonts zu ermöglichen. Rotary möchte mit den Austauschprogrammen die interkulturellen Kompetenzen der jungen Generation fördern sowie einen Beitrag zu Völkerverständigung und zum Frieden leisten. Der Rotary Jugendaustausch bietet unterschiedliche Möglichkeiten an. Es gibt den Jahresaustausch, bei dem ein Schüler oder eine Schülerin für ein Jahr ins Ausland geht und da die Schule besucht. Der Family-to-Family Austausch ermöglicht einen Auslandsaufenthalt während drei bis vier Wochen. Als dritte Option bieten die Jugendaustausch Camps eine tolle Möglichkeit für den Austausch in den Sommerferien stattfinden. |