Im RC Redliwil sorgten viele neue Rotarierinnen und Rotarier mit ihren neuen Berufen für ein bunteres Bild. So durfte Präsident Georges Bräker einen Spezialisten für Achtsamkeitstraining begrüssen, einen Coach-Coach und als Krönung eine Influencerin.
Sekretär Hans Tgetgel wunderte sich. «Komisch, früher hatten unsere Mitglieder Studienabschlüsse in Jura, Betriebswirtschaft, Medizin, Ingenieurwissenschaften und dergleichen, meinetwegen auch Kunstgeschichte. Aber heute blicke ich nicht mehr durch, sind das denn ernsthafte Berufe?»
«Oh doch», meinte Achtsamkeitstrainer Albert Rütti. Seine acht Ratgeber zum Thema waren alles Bestseller, im RC Redliwil hatte er sich alle unterworfen. Jeder hatte auf seinem Smartphone eine App, die alle zwei Stunden per Alarm zum fälligen Meditieren aufrief.
Coach-Coach Peter Hasenfratz war in der Königsdisziplin der Beraterbranche unterwegs – er beriet seine Kunden aus Wirtschaft und Politik zur Frage, wie sie mit all ihren Beratern zurechtkamen. Im kleinen Kreis schwärmte er: «Wenn erst jeder, aber auch jeder Schweizer seinen persönlichen Coach hat, ist unsere Mission erfüllt.»
Die beiden waren jedoch kleine Fische gegen Elvira Leibundgut, eine Influencerin. Sie war jung, sah nett aus und war die geborene Plaudertasche. Auf Facebook, Youtube, Twitter, Instagram und TikTok warb sie rund um die Uhr für den Badezusatz «Laola», auf Kokosmilchbasis und mit Achtsamkeit produziert. Sie hatte mittlerweile 27,7 Millionen Follower und fuhr im Bentley zum Meeting in der Heidistube vor. Baden in Laola war Pflicht im RC Redliwil.
Im Gegensatz zu Sekretär Tgetgel war Präsident Bräker sehr beeindruckt. Als er bei Elvira Leibundgut eine der kostbaren Autogrammkarten ergatterte, meinte er: «Ich erwarte ja von jedem Rotarier, dass er in seinem Bereich Influence hat. Rotarierin Leibundgut hat Massstäbe gesetzt.»
Das fand auch Rotarier Josef Mosimann, der sich mit seinem Engagement in Bitcoins verspekuliert hatte und Geld brauchte. Er wurde ebenfalls Influencer und bewarb ein Produkt namens «Muttis Bestes».
«Sind das die Memoiren von Angela Merkel?», fragte ihn Bräker.
«Nein, das ist die hausgemachte Konfitüre meiner Gattin». Und so startete er seine neue Karriere, sass rund um die Uhr in der heimischen Küche und verzehrte in seinen Werbeclips eine Konfitürenschnitte nach der anderen.
«Wie läuft das Geschäft?», fragte Bräker nach einer Weile.
«Jeder Anfang ist schwer, aber ich habe schon Follower“, entgegnete Mosimann.
«Wunderbar, wer followt denn so Muttis Bestes?»
«Mein Sohn, unsere Haushaltshilfe und meine Frau».