Wie sieht eure Arbeit in Afghanistan denn aktuell aus? Was ist noch möglich? Können zum Beispiel noch Frauen ausgebildet werden?
In öffentlichen Schulen ist die Situation für Frauen problematisch. Aber innerhalb der IKRK-Zentren können auch Frauen weiterhin ausgebildet werden und beim IKRK arbeiten. Die Taliban sind froh, wenn sie in dem Bereich weiterarbeiten, denn das Gesundheitssystem ist seit dem Abzug der amerikanischen Truppen zusammengebrochen und das sehen die Taliban auch. Das IKRK kann also weiterhin aktiv sein. Das hat auch damit zu tun, dass es bereits seit 30 Jahren in Afghanistan tätig ist und daher ein gewisses Vertrauen besteht.
Noch zu dem Thema, das zurzeit die ganze Welt beschäftigt, der Krieg in der Ukraine. Wie sehen Sie die Situation, aus der Sicht von mine-ex?
In der Ukraine werden aktuell von beiden Seiten Minen verlegt. Das wird der Zivilbevölkerung in naher Zukunft viele Probleme bereiten. Die Russen legen zum Beispiel Minen in den Erntefeldern, damit die Ernte nicht mehr möglich ist. Ich gehe aber davon aus, dass man in der Ukraine den Opfern besser wird helfen können, weil sie ein besseres Sozialsystem haben.
Wie soll sich Rotary Ihrer Meinung nach in der aktuellen Situation positionieren?
Der Krieg in der Ukraine verdeutlicht, dass sich Anleger und Stiftungen Gedanken machen müssen, wohin ihr Geld fliesst. Ich finde, dass auch Rotary sich in dieser Hinsicht noch klarer positionieren muss und sich vermehrt Gedanken zu den ESG macht und dies auch mitteilt. Der Rotary Club Oberer Zürichsee hat diesbezüglich kürzlich zwei Resolutionen verabschiedet, die der Distrikt 2000 anschliessend ebenfalls verabschiedet hat. Die erste Resolution geht in Richtung ESG. Die zweite wünscht, dass sich Rotary für selbstzerstörende Minen einsetzt. Minen, mit einem Selbstzerstörmechanismus kosten zwar etwas mehr (zwischen 8 und 10 Franken im Gegensatz zu 5 Franken), können aber nach einem Krieg leicht zerstört werden. Da die grossen Länder wie die USA, China und Russland sowieso nie einem Gesetz zustimmen würden, das Minen generell verbietet, wäre das eine Alternative.
Abschliessende Frage: Wie entwickelt sich die Arbeit von mine-ex in naher Zukunft?
Worauf wir immer wieder angesprochen werden, ist die Minenräumung. Die Arbeit rund um die Minenproblematik besteht natürlich aus den zwei Bereichen der Minenräumung und der Opferhilfe. In unseren Statuten steht die Minenräumung allerdings nicht. Dazu muss man verstehen, dass mine-ex pro Jahr zwischen 700'000 und 800'000 Franken bereitstellen kann. Für die Minenräumung werden jährlich von verschiedenen Organisation 460 Mio. Franken bereitgestellt. Bei der Opferhilfe sind es ‘’nur’’ 37 Mio. Unser Beitrag wäre im Bereich der Minenräumung nur ein Tropfen auf den heissen Stein.
Wir sind in der Hinsicht aber nicht ganz untätig und unterstützen die Urs Endress Foundation, mit FindMine. Diese Stiftung entwickelt unter anderem Drohnen, welche 24 Stunden am Tag über ein Gebiet fliegen können, um Minen zu entdecken. Wir haben erst kürzlich bestimmt, 30'000 Franken für einen Feldtest dieser Drohnen bereitzustellen.
Demnach sind wir in den drei Hauptbereichen der Einhaltung der Ottawa Konvention, der Opferhilfe und der Minenräumung tätig, ohne unsere Strategie zu ändern und unsere Statuten zu verletzen. Dadurch, dass wir uns auf wenige Regionen beschränken und uns auf die Opferhilfe fokussieren, können wir unsere Gelder wirksam einsetzen.
Vielen Dank für das Interview, Herr Stump!